Beyond Bézier: Wenn Kunst und Mathematik sich zusammentun
Beim Übergang von den beweglichen Lettern des Rotationsdrucks zum digitalen Schriftbild in den 1960er bis 1980er Jahren wurde die Anwendung der Bézierkurven für die Darstellung der Schriftzeichen zum Standard. Dieses mathematische Werkzeug – die wichtigste Grundlage bei der Erstellung von Vektorgrafiken – hat die effiziente Digitalisierung aller Schriftzeichen ermöglicht. Seither sind verschiedene Computerprogramme entstanden, welche die Designer bei der Entwicklung neuer Schriftarten unterstützen.
Nun stellten ECAL-Dozierende des Masterstudiengangs Type Design – eine Spezialisierung auf die Gestaltung von Schriftarten – fest, dass die mit diesen Programmen erzielten Ergebnisse mittlerweile oft zu standardisiert wirken und dass es schwierig ist, untypische Schriftarten zu entwerfen. So startete Matthieu Cortat, der Leiter des Studiengangs, ein Forschungsprojekt mit einem Team aus Designern und Mathematikern. Das Ziel: Zurück zur Essenz der Schriftzeichen – jenseits der Bézierkurven.
Florence Yerly und Micha Wasem, Dozierende der Mathematik an der HTA-FR, liessen sich mit grossem Interesse und Neugier auf das Abenteuer einer explorativen Forschung an der Schnittstelle zur Kunst ein. Sie haben ihre Ergebnisse in einem Online-Vortrag präsentiert.
Von Bézier zu Fourier
Statt der Bézierkurven haben Wasem und Yerly die Fourier-Transformation angewendet, um die Umrisse von Schriftzeichen zu zeichnen. Dieses mathematische Werkzeug ermöglicht es, durch die Kombination von Kreisbewegungen Formen zu zeichnen – ähnlich wie mit einem Spirographen. Micha Wasem gelang es, anhand von Kreisen unterschiedlicher Grössen und Drehgeschwindigkeiten die geschlossene Kontur von Buchstaben zu zerlegen und anschliessend wieder herzustellen. Er konnte zeigen, dass sich das Schriftbild durch eine einfache Veränderung in einem der Kreise sichtbar verändern lässt.

Mit der Fourier-Analyse lässt sich nicht nur zeichnen, sondern man kann damit auch die Eigenschaften der einzelnen Kreise in einem Spektrum erfassen. „Als Statistikerin habe ich mich gefragt, ob diese Daten quantitative Informationen über Buchstaben und Schriftarten liefern könnten“, erklärt Florence Yerly. Mit der Unterstützung von Beat Wolf, Dozent am Studiengang Informatik und Kommunikationssysteme (IKS), und Gaëtan Cogliati, Bachelor-Absolvent, wurde die Fourier-Analyse automatisiert und eine Datenbank mit rund hundert Schriftarten angelegt. So konnte das Forschungsteam statistisch nachweisen, ob Buchstaben einander ähneln, ob sie Serifen enthalten oder nicht usw.
Mithilfe des Fourier-Spektrums war es schliesslich möglich, mehrere Schriftarten in verschiedenen Anteilen miteinander zu mischen. So entstand eine innovative Methode, um durch mathematische Kombination verschiedener Ästhetiken neue Schriftarten zu schaffen. „Das Projekt hat gezeigt, dass es neben Bézier noch andere Möglichkeiten gibt, und diese Begegnung von Kunst und Mathematik war sehr bereichernd“, hält Yerly abschliessend fest.

